Vom mühsamen Weg der Integration

Schwierige Wohnungssuche

Mein Anruf bei einer Maklerfirma aus der näheren Umgebung: „Wissen Sie, Frau Dorschner, ich habe solvente Kunden, die gute Mieter suchen. Wenn meine Kunden an Flüchtlinge vermieten wollten, würden sie sich direkt an den Helferkreis wenden. Es hat keinen Zweck, wenn Sie weiter auf meine Anzeigen antworten…“

Wir sitzen wieder einmal am Computer, Efrem (Name geändert), der junge Mann aus Eritrea und ich. Seit ich vor gut zwei Jahren seine Patin wurde, hat sich unser Verhältnis unmerklich verändert. Aus Betreuung wurde Freundschaft und längst ist Efrem zum Freund meiner Familie geworden. Und nun sitzen wir also wieder einmal am Computer und studieren die wenigen, erschwinglichen Wohnungsanzeigen. „Deutsche vermieten nicht an Afrikaner …“, sagt Efrem plötzlich mit trauriger Stimme. Erschrocken schaue ich zur Seite, direkt in die mutlosen Augen des jungen Mannes. Meine Zustimmung verstecke ich hinter beschwichtigenden Worten: „Nein, das stimmt nicht, warte nur, bald findest du eine Wohnung …“ Doch das wirklich zu glauben, fällt auch mir schwer.

Efrems Traum ist ein kleines Apartment für 450 Euro Kaltmiete — im Fünfseeland ein „Schnäppchen“, anderswo in Deutschland der Preis für eine gut geschnittene Dreizimmerwohnung. Wieder und wieder antworte ich für ihn auf Immobilienanzeigen: „Ich suche für einen anerkannten, Deutsch sprechenden Flüchtling aus Eritrea eine Wohnung …“, wohl wissend, dass ich keine Antwort vom Vermieter bekommen werde. Da, wo Telefonnummern angegeben sind, rufe ich an und höre Sätze wie: „Nein, so etwas nehmen wir nicht.“

Die Wohnungssituation der Flüchtlinge, die einen Aufenthaltstitel und Arbeit haben, ist sehr schwierig. Noch leben sie in der Gemeinschaftsunterkunft, gelten dort aber als „Fehlbeleger“ und müssen so schnell wie möglich ausziehen. Doch wohin? Bleiben sie im Container, ist zu erwarten, dass sie demnächst Mietforderungen von 311 € monatlich zu begleichen haben werden. Dieser Mietzins wird rückwirkend — eventuell ab Anerkennung — erhoben. Im Containerdorf an der Ulrich-Haid-Str. sind solche Briefe inzwischen mehrfach angekommen.Das bedeutet, dass für eine vollbesetzte Containerwohnung mit ca 42 qm Fläche, in der sechs Menschen leben, rund 1866 € monatliche Warmmiete eingefordert werden. Eine Summe, die selbst in unserem hochpreisigen Landkreis beachtlich ist.

Eine Lösung kann das Modell „Wohnen für Hilfe“ sein.

Ich bin sicher, dass es in Seefeld Senioren gibt, die in einem für sie zu groß gewordenen Haus leben. Menschen, denen es an Ansprache fehlt oder die auf Grund ihres Alters den Alltag nur noch mühsam bewältigen können. Ihnen wäre geholfen, wenn ein junger Mensch bei ihnen einziehen würde, der „einfach nur da“ ist oder sie in ihrem Alltag aktiv unterstützt. Natürlich ist es nicht einfach, jemanden als Mieter ins Haus zu holen, den man nicht kennt. Daher sollten erst einmal Gelegenheiten zum gegenseitigen Kennenlernen geschaffen werden. Die Paten und ehrenamtlichen Betreuer könnten hier vermittelnd eingebunden werden. Auch das neue Begegnungscafé der Nachbarschaftshilfe Seefeld/Mehrgenerationenhaus kann in diesem Sinn ein Ort des Kennenlernens werden. Wenn dann die Senioren und der ein oder andere Flüchtling merken, dass „die Chemie stimmt“, wird ein Mietvertrag abgeschlossen, in dem die Höhe der Miete und die zu leistenden Stunden festgeschrieben werden. Dieses Modell hat sich anderswo längst bewährt und sollte in Seefeld so bald wie möglich Nachahmer finden.

Arbeitsplätze für Flüchtlinge

Eine Reihe von Arbeitgebern in Seefeld und Umgebung hat sich inzwischen auf das Experiment eingelassen, Flüchtlinge zu beschäftigen. Efrem wurde neulich von seinem Chef gefragt: „Sind eigentlich alle Menschen in Afrika so fleißig wie du?“ „Natürlich nicht“, gab er zur Antwort, „in Afrika gibt es Faule und Fleißige, genauso wie in Deutschland.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Die Mehrzahl unserer Flüchtlinge ist hoch motiviert und dankbar für die Möglichkeit, arbeiten zu können. Aber es gibt leider auch die anderen. Junge Männer, die ein Problem mit deutschem Arbeitstempo, deutscher Akkuratesse und deutscher Pünktlichkeit haben. Für Chefs ist das nicht immer leicht. Doch auch diese Flüchtlinge sollten eine Chance haben. Eingebunden in den Arbeitsprozess werden sie sicher bald lernen, „wie der Hase läuft“.

Ähnlich wie es von Seiten der Berufsanfänger unter den Flüchtlingen manchmal nicht ganz glatt läuft, gibt es auch auf der Seite der Arbeitgeber das ein oder andere zu kritisieren. Wenn mir ein Chef sagt, dass der junge Mann aus Afrika gleich einmal weniger Stundenlohn bekommt, als ein europäischer (ausländischer) Kollege, fällt mir dazu nichts mehr ein. Und wenn der gleiche Arbeitgeber den gleichen jungen Mann noch am Tag, an dem er seine Krankmeldung abgibt, fristlos entlässt, macht mich das fassungslos und zornig zugleich.

Asyl in Seefeld — Die Fakten im August 2017

Um es gleich vorweg zu sagen: Alle hier aufgeführten Zahlen dokumentieren den Ist-Zustand und ändern sich ständig.

A. Gemeinschaftsunterkunft in Hechendorf, Keltenweg 5 — Betreiber: Landratsamt Starnberg

Von den 35 Flüchtlingen in der Gemeinschaftsunterkunft in Hechendorf (vier von ihnen leben inzwischen in eigenen, privaten Zimmern) sind mittlerweile 29 anerkannt bzw. haben „Abschiebeverbot“ oder „subsidiären Schutz“ erhalten. Viele der in Hechendorf lebenden Flüchtlinge haben Arbeit und besuchen zusätzlich (soweit vom BAMF genehmigt) einen Integrationskurs, den einige inzwischen mit der B1-Prüfung abgeschlossen haben.

Beschäftigungsverhältnisse:

20 Personen haben einen festen Arbeitsplatz

2 machen eine Ausbildung und haben das erste Jahr erfolgreich bestanden (1 EQ und 1 reguläre Ausbildung)

8 haben einen Minijob

1 nimmt an einer Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit teil

2 erhalten Ehrenamtsvergütung

7 Personen sind augenblicklich ohne Beschäftigung

Bei den Festanstellungen handelt es sich überwiegend um Vollzeitjobs. Die Beschäftigungsquote (Festanstellung & Minijob) beträgt daher in Hechendorf zur Zeit 80 %. Diese Angabe ist nicht ganz korrekt, da drei der jungen Männer neben ihrer Teilzeitarbeit in einem Minijob arbeiten.

B. Gemeinschaftsunterkunft Oberalting, Ulrich-Haid-Str. 2a — Betreiber: Reg. v. Oberbayern

In der Gemeinschaftsunterkunft in Oberalting leben zur Zeit 108 Flüchtlinge, darunter sieben Familien mit insgesamt 16 Kindern im Alter von 0 bis 18 Jahren. Zwei Familien konnten in den vergangenen Monaten in eigene Wohnungen in Nachbargemeinden umziehen. 20 Personen sind anerkannt, bzw. haben „Abschiebeverbot“ oder „subsidiären Schutz“ erhalten. Die Kinder besuchen den Kindergarten oder gehen in die Schule. Auch einige der älteren Flüchtlinge haben inzwischen den Mittelschulabschluss gemacht oder werden ihn in absehbarer Zeit machen. Viele Flüchtlinge nehmen an Deutschkursen teil und die, bei denen das BAMF die Zustimmung gegeben hat, lernen im Integrationskurs.

Beschäftigungsverhältnisse:

Die Arbeitssituation ein Oberalting ist leider nicht so gut wie in Hechendorf. Das liegt ursächlich am Asylstatus und an den Herkunftsländern der Bewohner. Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch läuft, brauchen eine Arbeitserlaubnis von der Ausländerbehörde. Die wird leider nicht in jedem Fall erteilt und wenn doch, dauert das Prozedere oft so lange, dass es für den potentiellen Arbeitgeber nicht zumutbar ist. Welcher Arbeitgeber kann schon rund acht Wochen warten, wenn er jetzt einen Helfer braucht! Trotzdem haben auch einige im Oberaltinger Containerdorf eine Beschäftigung.

5 Personen haben einen festen Arbeitsplatz

2 machen eine Ausbildung

2 haben einen Minijob

1 hat Bundesfreiwilligendienst („Bufti“) abgeschlossen, eine neue Bufti-Stelle ist in Arbeit

mehrere machen sogenannte 1€-Jobs, (die in Wirklichkeit nur 0,80 € pro geleisteter Stunde bekommen)

2 machen Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen („FIM“)

mehrere werden im kommenden Schuljahr zur Berufsschule gehen

Eine Bitte an die Vereine und anderen gemeinnützigen Einrichtungen: Schaffen Sie „FIM-Stellen“! Damit helfen Sie den Flüchtlingen, aber auch Ihrer Einrichtung: Der Flüchtling hat die Chance auf einen niederschwelligen Einstieg in das Arbeitsleben und Ihr Verein bekommt jeden Monat 250 € gutgeschrieben — und das für sechs Monate pro FIM-Arbeiter!

Mein persönliches Fazit

Wir in Seefeld können stolz darauf sein, dass wir Integration mit den Neubürgern aus Afghanistan, Nigeria, Eritrea, Pakistan und anderswo aus der Welt so konfliktfrei leben. Dass es dabei hin und wieder trotzdem kleinere und kleine Probleme gibt, so wie überall, wo Menschen zusammenleben, ist normal. Aber, unterm Strich, unternimmt die Mehrzahl der Flüchtlinge sehr große Anstrengungen, um bei uns „anzukommen“ und viele Seefelderinnen und Seefelder helfen ihnen dabei mit sehr viel ehrenamtlicher Unterstützung. Vielen Dank dafür!

Vor einiger Zeit fragte mich eine Seefelderin, mit der ich über die Flüchtlinge sprach: „Haben Sie keine Angst?“ Als ich mit „nein“ antwortete, schaute sie mich ungläubig an. Ich denke, dass alles, was fremd ist, erst einmal beunruhigend wirken kann. Aber wenn man es kennenlernt, wenn man es sich „vertraut macht“, wie der Fuchs zum Kleinen Prinzen sagt, erkennt man die Einzelheiten und man sieht mit dem Herzen. „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Eine meiner wesentlichen Erfahrungen aus den vergangenen zwei Jahren ist, dass ich gelernt habe, noch genauer hinzuschauen und schnell an den Punkt komme, an dem es unwesentlich ist, ob jemand eine etwas dunklere oder hellere Haut hat. Dann ist er mir so vertraut, dass ich anfange, Wesentliches zu erkennen. Mag ich ihn/sie? Akzeptiere ich ihn/sie? Leben wir für ähnliche Werte? Sind wir Freunde, oder eher nicht? Das sind dann Fragen, die in jedem menschlichen Miteinander Bedeutung haben — egal, welche Haut- oder Haarfarbe jemand hat.

Ute Dorschner

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