Der SPD-Ortsverein Seefeld sieht in den geplanten Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA eine Gefahr für unsere Demokratie, für die Umwelt und viele soziale Standards. Mit einem offenen Brief an Sigmar Gabriel haben wir unsere Befürchtungen dargelegt. Da die Antwort Gabriels nicht erkennen ließ, dass unsere Bedenken wirklich ernst genommen werden, haben wir alle SPD-Abgeordneten des Europa-Parlaments, alle SPD-Abgeordneten der mit der Thematik befassten Ausschüsse des Bundestages und etliche SPD-Ortsvereine per Mail um Unterstützung gebeten. Hier der Wortlaut unseres Schreibens:

Neue Handel- und Investitionsabkommen zwischen der EU einerseits und den USA und Kanada andererseits sind sicherlich sinnvoll und erforderlich, solange es keine solchen Vereinbarungen auf Ebene der WTO gibt. Weder das bisher bekannte Verhandlungsmandat der EU-Kommission für TTIP, noch die Leitlinien des BMWI zu den “Bilateralen Investitionsförderungs- und Schutzverträgen, noch die bisher bekannten Inhalte des CETA-Abkommens sind geeignet, die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und eine größtmögliche Gerechtigkeit und Chancengleichheit für alle Bürger zu gewährleisten. Zu den bisher schon in der Öffentlichkeit massiv vorgebrachten Bedenken kommen noch drei wesentliche Aspekte hinzu: Klimaschutz, globale Einkommensverteilung sowie die politische und wirtschaftliche Verfassung Europas.

Folgende 11 Anforderungen müssen unbedingt erfüllt sein, um den Handelsabkommen CETA und TTIP zustimmen zu können.

 

  1. Klimaschutz
    Die Ergebnisse der Klimaschutzkonferenz von Paris, die letzten Berichte des IPCC sowie die Gutachten des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen) müssen in allen Aspekten der Abkommen berücksichtigt werden.

    Begründung:
    Im Lichte des letzten Sachstandsberichtes des IPCC vom Herbst 2014 und den Ergebnissen der Klimakonferenz in Paris vom Dezember 2015 sind die Grundsätze und Zielsetzungen der Handelsabkommen CETA und TTIP neu zu bewerten. Im Verhandlungsmandat zu TTIP wird als erstes Ziel genannt:
     “… Handel und Investitionen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten auszuweiten, indem … durch einen besseren Marktzugang … neue wirtschaftliche Möglichkeiten für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum eröffnet werden …”.
    Dieses Ziel widerspricht der auf dem G7-Gipfel 2015 in Elmau verfassten Absichtserklärung zur Dekarbonisierung. Um die bei der Pariser Klimakonferenz vereinbarte 2°-Grenze einzuhalten, muss jetzt sofort damit begonnen werden, den CO2-Ausstoß zu verringern. Die Bundesregierung strebt bis 2020 eine Senkung der Treibhausgasemissionen von 40% und bis 2050 eine Senkung von 80-95% im Vergleich zu 1990 an. Laut Sondergutachten des WBGU reicht dies allein jedoch nicht aus, die angestrebte 2°-Grenze einzuhalten, weder unter dem Aspekt einer “Zukunftsverantwortung” noch einer “Historischen Verantwortung”. Die durch die bisherige globale Wirtschaftsentwicklung bereits erfolgte globale Temperaturerhöhung um 1°C sowie die Anreicherung des CO2-Gehalts der Atmosphäre auf 400 ppmv erlauben es nicht, die weltweite Wirtschaftsentwicklung im bisherigen Stil weiter zu betreiben und den Gütertransport zu erweitern. Hierzu seien nur zwei Zitate aus dem der Bundesregierung vorliegenden Sondergutachten “Klimaschutz als Weltbürgerbewegung” des WBGU  von 2014 genannt:
    “Der Transport nimmt eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung der Endenergienutzung ein. Gegenwärtig ist dieser Sektor für etwa 27% der Endenergienutzung verantwortlich sowie direkt für den Ausstoß von knapp 7 Gt CO2.”
    “Der Schutz der Erdsystemleistungen ist jedoch für die nachhaltige Entwicklung unverzichtbar. Dies begründet die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in Gesellschaft und Wirtschaft.”
  2. Globale Einkommensverteilung
    Durch die Abkommen muss erreicht werden, dass die globale Verteilung der Einkommen auf alle beteiligten Bürger gerechter erfolgt.
    Begründung:
    Ein weiteres Merkmal der globalisierten Wirtschaftsentwicklung ist dem Bericht der Hilfsorganisation Oxfam von 2015 zu entnehmen. Danach besaßen im Jahr 2014 der 3,5 Milliarden Menschen umfassende ärmere Teil der Weltbevölkerung zusammen das gleiche Vermögen wie die 80 reichsten Personen, seit Januar 2016 nur noch 62. Da ist es schon als zynischer Trost zu werten, wenn laut Weltbankbericht die Zahl der Menschen, die von einem Tageseinkommen von 2 US-$ leben müssen, sich von 1981 bis 2011 von 2,5 Milliarden auf noch deutlich über 2 Milliarden verringert hat. Aus dem Wealth Report 2015 der Credit Suisse geht hervor, dass das reichste Prozent der Weltbevölkerung über mehr Vermögen verfügt als der Rest der Welt zusammen. Dieser gefährlichen Fehlentwicklung der globalen Wirtschaftsstrukturen muss mit zukünftigen Handelsabkommen entgegen gesteuert werden. Den Zusammenhang zwischen der Armut und den Auswirkungen des Klimawandels stellt Hans Joachim Schellnhuber in seinem Buch “Selbstverbrennung” dar:
    “Während die Armen in der Welt nur höchst unterproportional am fossilen Wachstumsrausch teilhaben, werden sie einen weit überproportionalen Anteil an den schädlichen Nebenwirkungen dieses Rausches ertragen müssen.”
  3. Der politische und wirtschaftliche Zustand Europas
    Eine wirtschaftliche und politische Konsolidierung der EU stellt eine vordringliche Aufgabe dar. Erst danach kann daran gedacht werden, auf EU-Ebene Handelsabkommen mit anderen Staaten zu verhandeln und abzuschließen.

    Begründung:
    Der rasant erfolgte Zusammenschluss Europas auf inzwischen 28 Staaten, die nur teilweise der Währungsunion angehören, hat zu massiven wirtschaftlichen Verwerfungen innerhalb Europas geführt. Länder wie z.B. Irland und Portugal sind noch weit entfernt von einer wirtschaftlich stabilen Situation. Griechenland konnte bisher nur durch massive Unterstützung und Eingriffe vor einem Staatsbankrott bewahrt werden. Eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik für die gesamte EU konnte bis heute nicht verwirklicht werden. Von einer politischen Gemeinsamkeit ist die EU noch weit entfernt. Dies spiegelt sich auch im Gewicht der außereuropäischen Wahrnehmungen wider. In Krisensituationen wie derzeit im Nahen Osten oder bei der Flüchtlingsthematik werden die einzelstaatlichen Interessen in den Vordergrund gestellt. Großbritannien stellt massive Forderungen zur Lockerung gemeinsamer Regelungen für einen Verbleib in der EU. In Ungarn und Polen sind bedenkliche Entwicklungen zu verzeichnen, die auf eine Einschränkung demokratischer Grundrechte hinweisen.
  4. Schiedsgerichte
    Über die Handelsabkommen darf keine eigene Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit in Kraft gesetzt werden, die außerdem nur ausländischen Unternehmen Rechte gegen Staaten einräumt. Siehe hierzu auch die Stellungnahme des deutschen Richterbundes vom Februar 2016.
  5. Regulatorische Kooperation
    Regelungsbefugnisse aller demokratisch legimitierten Gremien, auf allen Ebenen der EU, der USA und Kanadas dürfen in keiner Weise eingeschränkt werden, auch nicht mit dem Hinweis auf daraus folgende Handelshemmnisse.
  6. Positivliste
    Mit den Abkommen dürfen nur genau definierte Bereiche geregelt werden (Positivliste).
  7. Re-Kommunalisierung
    Eine Übernahme von beliebigen Leistungen in öffentliche Verantwortung muss uneingeschränkt möglich sein.
  8. ILO
    In allen beteiligten Staaten muss die Anerkennung und Einhaltung aller jeweils gültigen ILO-Normen gewährleistet sein.
  9. Öffnung für weitere Staaten
    Weitere Staaten müssen dem Abkommen beitreten können. Sie dürfen durch die Abkommen nicht benachteiligt werden.
  10. Kündigungsklausel
    Eine Kündigung der Abkommen muss möglich sein. Eine Vertragsrevision ist nach Ablauf von zehn Jahren vorzusehen.
  11. Grundsätze der Handelspolitik
    Handelspolitik muss auf die Achtung von Menschenrechten, Souveränität und Demokratie beruhen und auf höchste soziale und ökologische Standards ausgerichtet sein.

Wir bitten Dich dringend, Alles in Deiner Macht stehende zu unternehmen, dass die geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP nur in Kraft gesetzt werden, wenn sie oben genannte Forderungen erfüllen.

Mit solidarischen Grüßen

Marion Koppelmann                                                    Ernst Deiringer

Vorsitzende                                                                      Stellvertreter

 

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